Aus der internationalen Netzwerkarbeit kennen einige schon die Arbeit von Arnold Mindell, die Prozessorientierte Psychologie, auch Prozessarbeit oder Process Work genannt. Der Teil der Prozessorientierten Psychologie, der sich mit der Anwendung in Gruppen beschäftigt, wird oft auch World Work oder Deep Democracy genannt. In den spanischen und italienischen Netzwerken und in Findhorn ist Deep Democracy so wesentlich wie in vielen deutschen Gemeinschaften die Gemeinschaftsbildung nach Scott Peck oder das Forum. In Deutschland gab es dazu bis jetzt wenig Erfahrungen, weil keine deutschsprachige Ausbildung angeboten wird.

Seit 2018 gibt es jetzt das deutschsprachige Institut für Prozessarbeit und sie bieten regelmäßige Fort- und Weiterbildungen an. Ich habe dort die Jahresweiterbildung „Konflikt und Wandlung“ absolviert, und bin nach einem Jahr Beschäftigung mit dem Ansatz noch begeisterter als vorher. Deep Democracy bietet sehr interessante Ansätze und Konzepte für die Arbeit mit Gruppen. Der Ansatz der Deep Democracy liegt stets darin, alles, was auf verschiedenen Ebenen im Feld vorhanden ist, wahrzunehmen und zu würdigen. Es ist ein Ansatz, der Individuen und Gruppen fördert, eigene Bilder, Gefühle und Wahrnehmungen in die Zusammenarbeit mit anderen Personen und Teams klarer und transparenter einzubringen und damit das Gesamtsystem voranzubringen. Dabei werden verschiedene Realitätsebenen einbezogen – neben der „Konsensus-Realität“, der rationalen Faktenwelt, wird bewusst auch die subjektivere „Emergenz-Ebene“ (die Ebene der persönlichen Erfahrungen, Werte, Kultur, Gefühle, Träume, informelle Rollen, Rangfragen) und die „Essenz“, in der die Dualität aufgelöst ist, und die sich nicht mit Worten beschreiben lässt. Um diese Realitätsebenen einzuladen, wird in der Prozessarbeit mit allen Wahrnehmungskanälen gearbeitet, zum Beispiel auch mit dem Selbstwahrnehmungskanal und Aspekten wie Körperhaltung, Bewegungsimpulsen oder abschweifenden Gedanken.

Die Werkzeuge der Deep Democracy helfen, Spannungen und Konflikte in unseren Projekten anders anzugehen und Methoden für das Facilitieren (Erleichtern) von Veränderungsprozessen und Gruppendynamiken kennenzulernen.

Das Annehmen der Unterschiedlichkeit ist dabei eine wichtige Basis. Mangelndes Bewusstsein über die Auswirkungen unserer Unterschiedlichkeit sind der Beginn von Ausgrenzung und die Wurzel von persönlichen, sozialen und internationalen Konflikten. Ganz besonders der Ansatz der Prozessarbeit zum Thema „Rang und Macht“ ist für uns Gemeinschaften, in denen wir Machtgefälle bewusst vermeiden wollen, eine ganz neue Möglichkeit, auf das Thema zu schauen. Die These der Prozessarbeit ist: Rangdynamiken prägen alle sozialen Dynamiken sehr stark, und es ist wichtig, sie aus der Tabuzone hinauszuheben. In unseren Gemeinschaften, in denen wir hierarchiefrei sein wollen, ist dies aber oft ein Tabuthema. Rangdynamiken totzuschweigen oder zu bekämpfen hilft jedoch nicht, denn sie gehören zu jedem sozialen Organismus dazu. Der Ansatz der Prozessarbeit dabei ist „Rangbewusstsein“ – ein Bewusstsein dafür schaffen, wo wir hohen Rang haben und welches Privileg das ist, und dazu beizutragen, dass Rang stets zum Wohle des Ganzen eingesetzt wird.

Seminarankündigung in Sieben Linden

Mir ist es jetzt gelungen, meine Ausbilder einzuladen, im Ökodorf Sieben Linden ein Training zu geben, das insbesondere auf die Themen von Gemeinschaften zugeschnitten ist.

Vom 26. – 29.6. (Achtung – bis Montag!) gibt es von ihnen eine Fortbildung zu Prozessarbeit und World Work nach Arnold Mindell. Das Seminar ist als Bildungsurlaub anerkannt.

Weitere Informationen

Autorin: Eva Stützel

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