Zur Vision des Ökodorfs Sieben Linden gehörte immer schon, dass wir in die Welt wirken wollen mit dem, was wir tun. Schon im Projektzentrum in den 90er Jahren führten wir Seminare durch und hatten einen Gästebereich. Damals war die Ausrichtung, besonders für die externen Menschen, die mit uns das Ökodorf aufbauen wollten, einen Raum vorzuhalten.
Seit wir in Sieben Linden sind, führen wir dort auch Seminare zu allen möglichen Themen des nachhaltigen Lebens durch und bereits seit 2004 diskutierten wir darüber, dass es dafür Raum braucht. Ungefähr 2004 gab es dann auch die erste Arbeitsgruppe „Gemeinschafts- oder Gästehaus?“. Dort wurde diskutiert und Vorschläge erarbeitet, was wir aus unserem „Regiohaus“, in dem sich Gemeinschaft und Gäste gemeinsam aufhalten, auslagern, um insgesamt mehr Raum für beides zu haben.
Auch gab es damals einen Grundsatzbeschluss in der Gemeinschaft, den Seminarbetrieb als ein wesentliches Standbein des Ökodorfes auszubauen. Eine Zielvorgabe war, dass etwa 20 Menschen ihren Lebensunterhalt durch den Seminarbetrieb verdienen sollten.
Ein erster Versuch, Fördermittel für ein Gästehaus über LEADER zu akquirieren, scheiterte daran, dass die Gemeinschaft sich – nach einem Jahr regelmäßiger Information durch die Kleingruppe, die daran gearbeitet hatte – nicht „so schnell“ entscheiden wollte, dann war die Frist abgelaufen und die Fördermittel damit nicht mehr verfügbar. Die Motivation der für das Thema Engagierten sank und es ruhte erst einmal.
Etwa 2010 nahmen wir das Thema wieder auf und stellten bei der Recherche über die damaligen Fördermittel fest, dass es sehr schwer werden würde, Gelder für einen Neubau zu bekommen. So entschlossen wir uns, mit den erreichbar scheinenden Fördermitteln für Sanierung zunächst unseren letzten Altbau im Dorfzentrum zu sanieren. Es galt dort, die dringendsten Räume einzurichten: Essräume, ein weiterer Seminarraum und Sanitärräume für die Gäste im Obergeschoss der ehemaligen „Werkstatt“, jetzt „Sonneneck“ genannt. Ein großer Schritt für die Gemeinschaft! Endlich war es möglich, Seminargäste und Gemeinschaft räumlich voneinander zu trennen, nicht alle Seminargäste mussten sich in die Gemeinschaftsinfrastruktur quetschen und mit dem Chaos, das in einer von ehrenamtlichen Kräften geführten Infrastruktur normal ist, konfrontieren.
Die Seminar-Aktivitäten konnten ausgebaut werden, die Nachfrage war da. Statt einer Person, die mit 15 Stunden die Schnittstelle zwischen Gemeinschaftsdiensten und Gästebetrieb koordinierte, steigerte sich der Bedarf nach Mitarbeitern im Gästeteam durch diese Trennung, in der dann alle Arbeiten für die Gäste bezahlt gemacht wurden, enorm. Heute arbeiten vier Festangestellte mit insgesamt 80 Wochenstunden und drei bis vier Freiwillige mit einem Teil ihrer Arbeitskraft im Gästeteam. Übers Jahr haben wir 8.000 Gästeübernachtungen.
Nachdem der erste große Engpass überwunden war, wurde der zweite immer drängender: Zwar entwickelte sich die Zahl unserer Gästebetten von 15 Betten in 3 Zimmern (im Jahr 2000, nur Regiohaus) über 21 Betten in sechs Zimmern, zu der aktuellen Bettenzahl von 26 in 11 Zimmern bzw. Bauwagen. Was nach wie vor so gut wie fehlt sind Einzelzimmer mit Zentralheizung – da haben wir nur eins, und das ist meistens für externe Referierende reserviert.
Doch unsere Klientel hat sich seit den 90er Jahren geändert. Waren es damals eher „Ökos“ mit wenig Geld, die zu uns kamen, und denen es vor allem um günstige Unterkunft ging, kommen nun vor allem Menschen, die voll im Berufsleben stehen. Sie nehmen sich ein Wochenende frei, schätzen ihren guten Schlaf und möchten daher ungern mit drei anderen Menschen den Raum teilen. Einzelzimmer werden häufig nachgefragt.
So begannen wir, kaum war das Sonneneck 2012 fertiggestellt, schon 2014 wieder mit der Planung eines Gästehauses. Ein eifriger Mitarbeiter des Umweltministeriums stellte uns eine 50%-Förderung in Aussicht, die uns sehr schöne Träume entwerfen ließ. So ein Bildungszentrum, in dem alles realisiert werden könnte, das unseren Seminarbetrieb zum Blühen bringen würde – neben Gästezimmern auch Büros, Kinderzimmer für Kinderbetreuung und ein Café als Begegnungsraum. Leider zerschlug sich die Aussicht auf derart hohe Fördermittel nach einigen Jahren Planung und Hoffnung dann doch wieder, und ohne Fördermittel war dieses Projekt zu groß, um gestemmt zu werden.
Der Bedarf nach Einzelzimmern nahm unterdessen weiter zu, und so entschlossen wir uns 2018, einen Entwurf zu machen, den wir mit wenig Fördermitteln realisieren können. Daraus entstanden die Pläne für das Gästehaus, das seit Sommer 2019 wirklich Gestalt annimmt – mit 10 Einzelzimmern, zwei behindertengerechten Doppelzimmern und zwei Familienzimmern. Ein Seminarraum, insbesondere für die regionalen Angebote unter der Woche, rundet das Angebot ab.
Für diesen Bau bekamen wir – im Vergleich zur Bausumme von ca. 1,4 Millionen Euro – nur geringe Mittel aus einem Fördertopf für Ländliche Entwicklung, und von Lotto-Toto. Insgesamt deckt das 15% der Baukosten. Den Rest finanzieren wir mit einem KfW-Darlehen für energiesparendes Bauen und Privatdarlehen von Förderern, sowie Eigenmitteln und Spenden. So werden wir dann in 2022, 18 Jahre nach den ersten Diskussionen um ein neues Gästehaus, tatsächlich Gäste in unserem neuen Gästehaus empfangen und unseren Seminarbetrieb eine weitere Stufe ausbauen!
Bereits jetzt arbeiten in Sieben Linden ca. 20 Menschen mit Teilzeitstellen angestellt im Seminarbereich oder Projekten, hinzu kommen viele Menschen, die als Honorarkräfte Seminare, Führungen, Projektvorstellungen oder Bauwochen begleiten und die Freiwilligen. Der Seminarbetrieb bringt einen Umsatz von etwa einer halben Million Euro. Ein wesentliches Standbein der Ökonomie des Ökodorfs ist es bereits – auch, wenn die Löhne, die wir zahlen können, immer noch recht bescheiden sind und nicht weit über Mindestlohn hinausgehen.
Autorin: Eva Stützel