Autor*innen: Birgit Schaldecker und Rüdiger Bachmann

Es ist schon gewaltig, was sich da bewegt in so einer Schulerfahrungswoche! In der Schule für freie Entfaltung der Lebensgemeinschaft Schloss Tempelhof entwickeln sich Eltern und zukünftige Lernbegleiter*innen aus ihrer eigenen Lern- und Schulbiografie heraus und nähern sich einer stimmigen und idealeren Pädagogik.

Es geht in dieser Weiterbildungswoche nicht nur um Faktenwissen, Fachkenntnisse und neue Entwicklungen und Untersuchungsergebnisse zur Pädagogik. Es geht ebenfalls um die teils schmerzhaften Erkenntnisse, dass die intrinsische Motivation und das Wissen um die eigenen Bedürfnisse im früheren Schulerleben tief vergraben wurden. Üblich, normal und früher scheinbar unumgänglich: Effizienz- und Anerkennungsstreben oder Konformitätszwänge führten zu diesen damals notwendigen Schutzmechanismen. Gelernt und verinnerlicht haben wir dadurch, dass die gebotenen Freiräume der aktiven Pädagogik heute im Erwachsenenleben nur schwer oder lange gar nicht zu ergreifen sind. Und eben dadurch hilft es uns nochmal mehr dabei, mit viel Respekt auf den Schulalltag der Kinder und Jugendlichen freier Schulen zu schauen.

Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit sind die Schlüsselthemen, die jeder modernen Pädagogik zu Grunde liegen sollten, so die Meinung der Lernbegleiter*innen der Schule für freie Entfaltung. Schüler*innen einer Freien Schule wissen nur allzu gut, wie anstrengend, ungewohnt, unsicher und unstrukturiert sich die Übergangsphasen manchmal anfühlen, besonders wenn sie aus einem anderen System gewechselt haben. Was soll ich als nächstes tun?, Was will ich eigentlich?, An wem soll ich mich orientieren?, etc. sind gängige Fragen, die Wochen und Monate eines Schüler*innenlebens füllen können, ohne dass „ordentlich“ gelernt wird, sprich: übliches Faktenwissen angehäuft und reproduziert werden kann. Hat sich das natürliche Interesse jedoch wieder bei ihnen gezeigt, gibt es kein Halten mehr – und vor allem ist kein Zurück ins „Normale“ mehr vorstellbar.

Ein besonderes Highlight der letzten Schulerfahrungswoche vom 16.-22. August 2021 war das Vernetzungstreffen der Bildungsveränderer. Eingeladen waren Menschen, die mit ihrem Engagement tätig werden und die Bildungswelt um zutiefst menschliche, kindgerechte Alternativen bereichern wollen. Im Vordergrund stehen immer wieder Respekt, Selbstbestimmung, Demokratieentwicklung und Gemeinschaftsfähigkeit. Besonders geformt und getragen wurde das Treffen von den Teilnehmer*innen der „HerausBildung“ zum/zur Lernbegleiter*in der „Akademie Lernen von Innen“. Es waren unterschiedlichste Ansätze vorhanden, Veränderungen einzuleiten: Manche „Bildungsveränderer“ kamen mit ihren Projekten, stellten sie vor und suchten Verstärkung. Manche hatten zwar ein klares Gefühl von dem, was sich ändern sollte, suchten aber eher Initiativen, denen sie sich anschließen wollen.

Es gab Teilnehmende, die sich im deutschen Bildungssystem ganz frei erleben (z. B. „School of Bliss“- eine Initiative, die im Moment bundesweit sehr viel Zuspruch erlebt), und Stimmen, die die Modernisierungsideen der engagierten Pilotschulen von „Schule im Aufbruch“ (einer Initiative für Regelschulen unter Schirmherrschaft von Gerald Hüther und Margret Rasfeld) voll unterstützen wollen. Viele Lehrer*innen sind mit der „Lernkulturzeit“/„Pioneers of Education“ (einer Erweiterung der Lehrerbildung unter der Leitung von Silke Weiß) im Kontakt, und es wurde ganz deutlich, dass es bereits eine breite Bewegung mit viel Aufbruchpotential gibt.

Gleichzeitig hat sich aber auch gezeigt, dass es noch keine Klammer, kein gemeinsames, übergeordnetes Ziel gibt, und dass auch deshalb die Kraft und die Größe der Bewegung für die Politik gar nicht so sichtbar wird, wie sie für eine gesellschaftliche Veränderung notwendig ist.

Die Vision, die in Vorbereitung der Schulerfahrungswoche am Tempelhof entstand, strebt eben dies an: Eine Pädagogik des Miteinanders statt der Konkurrenz, gemeinsam handeln statt jeder allein für sich, eine große Kraft entwickeln statt eines immerwährenden Fokussierens auf Unterschiede und Defizite.

Mit diesem Impuls starteten die Teilnehmer*innen in ein gemeinsames Dragon Dreaming (eine Methode von John Croft, um gemeinsam Projekte erfolgreich in die Existenz zu begleiten). So hat sich die Veränderergruppe ihre Herzensthemen klarer ins Bewusstsein gebracht: Kinder sollen so behutsam förderlich aufwachsen, dass sie die Gesellschaft von Morgen mit den richtigen Impulsen verändern können – und das allein mit ihren Talenten, mit denen sie auf diese Welt kommen.

Bildung aus der Zukunft heraus!

Allen gemein ist der große Wunsch nach einer Bildung, die Kinder in ihrer begeisterungsfähigen Lebendigkeit belässt und es ihnen ermöglicht, sich als zutiefst gemeinschaftsfähige Wesen zu erleben. Es geht vor allem um eine Haltung der Liebe statt um Angst und um eine Schule voller Freude und Lebendigkeit, die ihren Schwerpunkt auf Bewusstseinsentwicklung und Vielfalt legt.

Würde, Gleichwürdigkeit (als eine Weiterentwicklung von Gleichwertigkeit) und Potentialentfaltung sollen wichtige Werte aller zukunftsgerichteten Projekte sein. Kinder, die in diese Lebensschule gehen, sollen eine vorbereitete Umgebung vorfinden, in der sie sich selbst gut kennenlernen, ihre Vorlieben und Bedürfnisse jederzeit fühlen dürfen und formulieren können, ihre Kompetenzen und Talente erfassen lernen und in der sie sich leicht damit tun, ein sinnerfülltes Denken, Fühlen und Wollen zu entwickeln.

Aus der Zukunft – der Traum schaute aus 2031 zurück – feierten wir, dass in Deutschland eine vielfältige, bunte Bildungslandschaft entstehen konnte, die den diversen Bedürfnissen einer vielfältigen Gesellschaft entspricht. Die Mauer enger staatlicher Regulierung wurde eingerissen. Ein großer Druck fiel von vielen Familien ab, da sie für sich und für ihre Kinder, frei und aus dem Herzen geführt, eine gute Bildungsentscheidung fällen konnten.

Das Dragon Dreaming Team war sehr erfüllt von der kollektiven Energie und der gemeinsamen Visionskraft. Es wurde allen sehr deutlich, dass das verbindende Element selbst viel wichtiger war als die einzelnen Ideen und inhaltlichen Punkte. Das Team war sich einig, am 3. Oktober, dem Tag des Mauerfalls (und dieses Mal geht es um die Bildung) ein Kernteamtreffen zusammenzustellen, dass sich mit diesem Thema weiter planerisch befasst und für den November ein sich stark verbreitendes zweites Veränderertreffen vorbereitet.

Als zentrale Anlaufstelle dient das „Projektbüro Potentiale Entfalten“ von Rüdiger Bachmann am Tempelhof und ist Dreh- und Angelpunkt für viele verbundene Aktivitäten auf dem Gebiet der Potentialentfaltung. Die grundlegende Zielsetzung des Projektbüros ist es, Menschen zusammenzubringen, die wirken wollen: in Gemeinschaften, in den freien Bildungsinitiativen, der HerausBildung und den Orientierungszeiten. Damit etwas zukunftsfähiges Neues entstehen kann. Das gemeinsame Handeln ist als Gegenentwurf zu verstehen zu dem vereinzelten, trennenden Impuls der letzten Monate.


Bei Interesse an einem Mitwirken im Kernteam, bei einer Teilnahme am nächsten Vernetzungstreffen, oder auch an der HerausBildung zum Lernbegleiter, stehen wir gerne für ein Gespräch zur Verfügung. Mehr Information und Möglichkeit zu Kontakt gibt es unter: http://potentialeentfalten.de/ und http://www.lernenvoninnen-dieakademie.de/ .

Die nächste Schulerfahrungswoche am Tempelhof, in den Osterferien 2022, wird unter https://booking.seminardesk.de/de/schloss-tempelhof angekündigt.

Wir freuen uns auf Euer Interesse.

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