Autorin: Kathrin Schanze

Es waren tatsächlich Waschbären, die eine junge Gärtnerin nahe dem sächsischen Riesa zu ersten Spatenstichen für ihr Modellprojekt „Keyline und Agroforst“ bewogen: „Auf dem Gelände unserer Lebenstraumgemeinschaft wurden zeitweise die Waschbären als Mitbewohner arg zum Problem. Manche meinten, auch die Zahl der Vögel auf dem Hof sei ihretwegen zurückgegangen. Und da dachte ich mir: Pflanzen wir für die Vögel doch einfach eine Hecke.“

Gesagt, getan: Auf einem nahe gelegenen Pachtgrundstück pflanzte Ramona Kempf gemeinsam mit Gemeinschaftsmitgliedern und weiteren Helferinnen und Helfern in den letzten Wochen und Monaten nahezu 100 Obstbäume und über 130 Obststräucher. „Dabei haben wir Wert auf alte, robuste und zugleich standortgerechte Sorten gelegt“, unterstreicht die engagierte Bio-Gärtnerin. Äpfel und Birnen, Pfirsiche und Pflaumen, Walnüsse und Maronen wird man neben vielen weiteren Früchten über kurz oder lange auf dem Acker ihrer „BaumFruchtGemüse“-Gärtnerei ernten können. „Es war uns wichtig, in die Hecke sowohl reine Naturabschnitte als auch Nutzabschnitte zu integrieren – Hasel, Kornelkirsche oder auch Sanddorn gehören dazu.“

Dass Hecken und Gehölze sich heilend auf ausgeräumte Landschaften auswirken, ist nichts wirklich Neues. Mit den geschwungenen Linien aber, entlang derer sich die Bäume aufreihen, hat es eine besondere Bewandtnis: „Wir haben unsere Gehölz-Streifen im Keyline-Design angelegt“, erklärt die 37-Jährige. Dahinter verbergen sich Linien, welche die Höhenlinien im Gelände mit einem leichten Gefälle schneiden. Der Vorteil: Das Regenwasser wird aufgefangen und versickert langsam im Boden. Philipp Gerhard, Planer für regenerative Landnutzungssysteme, sagt dazu: „Die beste Bewässerung wird nicht gebaut, sie wird gepflanzt!“ – Und so passierte es 2020 nahe Jahnishausen hoffentlich zum letzten Mal, dass es Anliegern am Abhang des Ackers bei Starkregen Schlammlawinen in den Garten spült…

Gewiss – das Graben, Baggern und Pflanzen auf dem Grundstück ruft auch Skeptiker auf den Plan. Zu ungewöhnlich sind diese neuen „Schlüssellinien“. Und dann noch das Vorhaben, Technik so sparsam wie möglich einzusetzen – zumal keine schwere, wie sie doch ringsum auf allen Feldern tagtäglich zugange ist…

Doch Ramona Kempf lässt sich nicht beirren. Mit den Jahnishausenern hat sie eine Gemeinschaft, die ihr den Rücken stärkt. Mitträger des Modellprojekts ist der dort angesiedelte Verein Accademia Dantesca, dem es gelang, über die Deutsche Postcode-Lotterie 18.000 Euro an Fördermitteln beizusteuern. „Dass es Förderungen über solche Lotterie-Gelder gibt, habe ich aus einem GEN-Newsletter erfahren!“ freut sich Ramona Kempf immer noch. Und mit manch drei- bis vierstelligen Summen griffen ihr auch Gemeinschaftsmitglieder beim Kauf des Pflanzguts unter die Arme. So manche und mancher ist überdies unmittelbar auf dem Acker mit dabei, wurde Baumpatin oder Baumpate, half beim Aufbau des Folienzelts für die Anzucht von Jungpflanzen oder beim Bau des Unterstands aus Robinien und Lärchenholz. Im Frühjahr werden Pappeln gesteckt für den Windschutz und als späteres Häckselgut für die Kompostbereitung. Denn die Pläne der jungen Gärtnerin gehen noch weiter: Von Mitstreiterinnen und Mitstreitern einer neuen SOLAWI (Solidarische Landwirtschaft)-Gruppe sind bereits 11 Verträge unterschrieben worden. Auch die über 40-köpfige Gemeinschaft in Jahnishausen wird sich aus diesem so anderen Garten ihr Obst und Gemüse zusammenstellen können. Nur so hat Landwirtschaft Zukunft, ist sich Ramon Kempf sicher – klimagerecht und enkeltauglich: „In zehn Jahren sind diese zwei Hektar wie ein kleiner Garten Eden, ein kleiner Dschungel mit Bereichen, wo Gemüse wächst.“

Lebenstraum Gemeinschaft Jahnishausen https://ltgj.de

SoLaWi Baum Frucht Gemüse https://baumfruchtgemuese.de

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