Autorin: Nicoletta Geiersbach
Das neue Gästehaus, das der Freundeskreis Ökodorf e.V. 2020/2021 auf die grüne Wiese zwischen Salzwedel und Wolfsburg gesetzt hat, ist in jeglicher Hinsicht ein besonderes Bauwerk.
Hat dieses Gebäude mal ausgedient, kann es weitestgehend kompostiert werden: Die Hauptmaterialien sind Holz, Stroh und Lehm.
Auch besonders ist, dass das neue Gästehaus mit einer sehr geringen Wärmeenergie vollständig versorgt wird. Sie kommt zum einen aus der Solaranlage, zum anderen aus dem Holzvergaserofen, der mit Holz aus dem eigenen Wald bestückt wird. Die Trockentrenntoiletten funktionieren ohne Wasserspülung. Mit deren Fäzes wird direkt im Ökodorf Kompost hergestellt, und der wiederum dient den Baumpflanzungen, womit sich ein Nährstoffkreislauf schließt.
Die Kunstphase
In der Endphase des Hotelbaus fokussierte sich die Aufmerksamkeit auf die Innengestaltung. Dafür gründet sich eine Kunstgruppe innerhalb des Ökodorfes mit Margaretha Shaw/Grafikdesignerin, Sophie Willert/Tänzerin und Nicoletta Geiersbach/darstellende und bildende Künstlerin.
In sechs von insgesamt 14 Zimmern hält Farbe Einzug, die je ein Thema widerspiegelt. Etwas konkreter wird es durch einen Schwarzdruck in allen sechs Räumen. Hierbei standen die von der UN festgelegten Klimaziele, die „Sustainable Development Goals“, Pate. Sie sind auch für das Ökodorf wichtige Orientierungspunkte.
In den beiden barrierefreien Räumen im Erdgeschoss, liebevoll „Royal Blau“ und „Royal Rot“ benannt, findet sich jeweils eine geschmackvolle Wandgestaltung in den Farben Bordeaux und Preußisch Blau. In Vintage-Technik wurden hier Raumobjekte gestaltet und je ein goldener Rahmen hält das Thema „Stroh zu Gold“ an der blanken Lehmwand zusammen.
Die Mehrbettzimmer „Allerlei“ sind in Farbe und „Erdreich“ in Naturlehm und Holz gehalten und bieten unter anderem einen weiten Ausblick aus großen Fenstern.
Sieben Lindener Kindermund fand Einzug in zwei Typozimmern im Erdgeschoss, die mit Lehmfarbe Weiß auf Braun anregen, sich der Experimentierfreude hinzugeben. Hierfür stehen die Namen „Wortkunst“ und „Freigeist“. Dem gegenüber laden zwei Naturlehmzimmer zu „Fantasie“ und „Muße“ ein.
In zwei Kunstsymposien, die in Kooperation mit dem LandKultur Altmark Projekt veranstaltet wurden, schafften die Teilnehmenden aus der Altmark einen künstlerisch bewusst eingesetzten Möbelbruch für das Gästehaus. Und auch diese Holzmöbellinie kommt aus der dorfansässigen Tischlerei und zieht sich durch alle Zimmer, farblich abgestimmt, hindurch.
Der Eingangsbereich mit dem Treppenaufgang in den ersten Stock wurde besonders künstlerisch betrachtet und füllte das zweite Symposion inhaltlich aus.Hier kratzten und feilten sich Julia Kommerell und Nicoletta Geiersbach mit Tonwerkzeugen in eine 4-Farb-Feinputzschicht hinein. Diese wurde in Sgraffitotechnik in einen Birkenhain verwandelt – wie gemalt in 3D.
Dem gegenüber glänzt die Lehmglätte (hochwertig farbiger Lehm/Ton, Marmormehl, Zellulose und Pflanzenstärke als Lehmspachtelmasse aufgetragen und mit Wasser geglättet) den Treppenaufgang hinauf und schützt die darunter verborgene Lehmputzschicht vor Schmutz und Schaden. Hier arbeiteten sich fünf Lehmglättekellen zeitgleich den gesamten Aufzug hoch. Dadurch entstand die Wand in einem Guss.
Ein Lampenmodell wurde ebenfalls im Ökodorf entwickelt und zieht sich wie eine Linie aus Glas durch das Gebäude.
Am Ein- oder Ausgang, je nachdem, beweisen zwei Wahrheitsfenster, dass das unter dem Lehm verborgene Material tatsächlich Stroh ist.
Die besondere Sorgfalt in der Entwicklung und Ausführung der künstlerischen Arbeiten lassen das Innenleben des Strohtels zu einer Augen- und Sinnesweide werden.