Autorin: Kathrin Schanze

Jahnishausen nahe dem sächsischen Riesa ist ein stilles Dorf. Doch in absehbarer Zeit könnte sich das ändern: Scharenweise Kinder könnten in den Wiesen und Waldstücken gleich hinter der Dorfstraße stromern, Rufen und Lachen wieder aus dem großen einstöckigen Gebäude mitten im Dorf erklingen. Das wird dann der Fall sein, wenn mit dem neuen Schuljahr 2022/23 tatsächlich die „Freie Auenwaldschule“ an den Start geht. Initiiert haben sie Nadine Hauswald und Georg Böse aus der Jahnishausener Lebenstraumgemeinschaft. „Kinder wollen ihr Potential entfalten, sie brauchen dafür einen sicheren, angstfreien Raum“, plädiert Nadine – selbst Mutter einer sechs- und einer anderthalbjährigen Tochter – für ihr freies Konzept. Und so soll es aussehen: Erst- bis Viertklässler lernen jahrgangsübergreifend in offenem Unterricht, Noten wird es keine geben. Stattdessen Einschätzungen von Lehrer oder Lehrerin, von der Gruppe und von dem Kind selbst. Das Konzept des Vereins „Freies Lernen Jahnishausen“, den das Paar 2018 gemeinsam mit weiteren jungen Eltern gründete, basiert auf reformpädagogischen Ansätzen, für die Wissenschaftler und Pädagogen wie Gerald Hüther und Falko Peschel stehen. Wohl wird es für die Lerngruppen der Auenwaldschule Klassen- und Lehrerzimmer, Experimentierzimmer und Musikraum geben, jedoch keineswegs einen klassischen Stundenplan: Die Schultage strukturieren sich entlang gemeinsamer Runden mit den Kindern, über Projektarbeit, gemeinsames Bewegen, gemeinsame Arbeit, erklärt Nadine.

Bis es mit 14 Kindern im kommenden Schuljahr losgeht, ist jedoch noch jede Menge zu tun. Allein handwerklich ist das alte Gebäude, das bis 1970 schon einmal Schule war, eine einzige Herausforderung: Uralte Tapeten müssen entfernt, alte Leitungen, der Fußboden, Fensterbretter erneuert werden. Und wie es bei alten Gebäuden so ist – bröckelt erst einmal der Putz, kommen kurzerhand immer neue Baustellen ans Tageslicht. Nicht wenige Gemeinschaftsmitglieder sind nun Samstag für Samstag mit den jungen Eltern zusammen als Handwerkerinnen und Handwerker in der Schule anzutreffen. Doch nicht nur saniert wird, sondern für den späteren Toberaum, die Bibliothek oder den Ruheraum auch umgebaut. Ergo: Eine Architektin wurde hinzugezogen, Bauanträge müssen vorbereitet und eingereicht werden, zu Jahresbeginn haben die Vereinsmitglieder beim Landesamt für Schule und Bildung ihren Schulantrag gestellt. Finanziert wird die Schule in privater Trägerschaft durch Elternbeiträge, Spenden von Gemeinschaftsmitgliedern und Kredite. Eine engagierte ehemalige Riesaer Schulleiterin schreibt dankenswerterweise die Rahmenpläne für den Unterricht. Überhaupt sorgt das ehrgeizige Schulprojekt unter dem Slogan „Wir lassen die Schule im Dorf“ für viele neue Kontakte zu alternativ denkenden Menschen im Umkreis der Lebenstraumgemeinschaft. Und vielleicht dehnen sich diese Kontakte ja noch viel weiter aus: „Da gibt es schon tolle Beispiele in Klein Jasedow und Wallmow“, schwärmt Nadine. „Dort zogen plötzlich wieder Leute hin, weil sie endlich die passende Schule für ihre Kinder gefunden hatten!“ Zu wünschen wären solch wunderbare Nebeneffekte nicht zuletzt auch der Lebenstraumgemeinschaft.

Bis es so weit ist, muss allerdings noch manche Hürde genommen werden. Nachdem eine Pädagogin dem Verein schon fest zugesagt hatte, ist jetzt diese Stelle leider wieder vakant – Bewerberinnen und Bewerber für diese reizvolle Aufgabe sind herzlich willkommen! Ebenso jegliche finanzielle und handwerkliche Unterstützung. Doch Nadine und Georg bleiben optimistisch – dieser lange Anlauf muss sich einfach gelohnt haben. Und so sehen sie ihr Töchterchen Wilhelmine Ende August schon mit der Zuckertüte in die von ihnen wiedererweckte Dorfschule hineinspazieren.

Weiter Einzelheiten zum Jahnishausener Schulprojekt unter www.freie-auenwaldschule.de und www.ltgj.de

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