Autor: Steffen Emrich
Seit über 2 Jahren ist Krieg in der Ukraine. Unendliches Leid in der ganzen Region und kein Ende in Sicht. Die Hoffnung, dass der Krieg nur kurze Zeit andauern wird ist schon lange verpufft und wir stellen uns darauf ein, dass der Krieg noch lange weiter geführt werden wird.
Vom Krieg betroffen waren vom ersten Tag an auch unsere Freund:innen aus dem Permakulturnetzwerk und von GEN-Ukraine. So war es selbstverständlich, dass wir bereits einen Tag nach Kriegsbeginn unsere ersten online Treffen hatten und bis heute mindestens wöchentlich im Kontakt sind. Während in den ersten Tagen und Wochen die unmittelbare Hilfe für Flüchtende im Mittelpunkt stand, zeigte sich bereits beim GEN-Europe Treffen im Sommer 2022 in Dänemark, dass wir langfristig denken und planen müssen. Ziemlich schnell kam die Idee auf gemeinsam ein „Gemeinschaftshaus als Flüchtlingsunterkunft“ zu bauen, das kurzfristig für Flüchtende, langfristig als zentraler Veranstaltungsraum und Gemeinschaftshaus genutzt werden sollte. Nachhaltig sollte es sein, sowohl in der Nutzung als auch in der Bauweise.
Erstmal erschien es ein ziemlich verrückter Plan zu sein. Woher sollte das Geld kommen, es gibt ja nicht mal ein Grundstück? Können wir sowas als GEN stemmen? Und gleichzeitig gab es den Glauben daran, dass wir das schon irgendwie als Gemeinschaftsnetzwerk hinbekommen würden.
Also setzten sich noch in Dänemark die Iniatroin Svetoyara Katchurenko aus Busha, Vertreterinnen von GEN-Ukraine und eine kleine Gruppe von Menschen von GEN-Europe (darunter Anne und Steffen von GEN-Deutschland) zusammen und überlegten wie dieses kühne Vorhaben gelingen könnte. Es sollte ökologisch und nachhaltig sein, schnell nutzbar und gleichzeitig auch gemeinschaftsfördernd.
Heute, nicht einmal 2 Jahre später ist das Haus fertig und wird am 18. Mai mit Workshops und einer Konferenz offiziell eingeweiht. Genutzt wird es schon seit einigen Monaten.
Busha liegt in der Region Vinnytsia, rund 70 km nördlich der moldawischen Grenze. Ein kleines beschauliches Städtchen mit vielen, zum Teil leerstehenden Häusschen und Sommer-Datchen, die schnell von Flüchtlingen übergangsweise als Behausung okkupiert wurden.
Im Sommer 2022 lebten dort bereits rund 250 Menschen, die ihr Zuhause verloren hatten, oder aber nicht in ihre Wohnungen und Häuser im Osten der Ukraine zurück konnten oder wollten. Der Ort ist weit genug von der Front entfernt um hier relativ sicher zu wohnen und gleichzeitig ist die dortige Gemeinschaft Busha Toloka im Ort bereits fest verankert und etabliert. Bei einem ersten Besuch nur wenige Wochen nach dem Treffen in Dänemark waren wir mit 4 Menschen von GEN-Europe (Monique von GEN-Niederlande, Micha von Glarisseg, Anne (Villa Lokomuna), Steffen (gASTWERKe) bereits vor Ort in Busha und konnten uns davon überzeugen, das sowohl die Gemeinde als auch GEN-Ukraine das Projekt unterstützen würden. Svetoyara und Olana aus Busha, Anastasiya, Maksim, Vitali und viele andere Aktivisti von GEN-Ukraine waren vom ersten Tag an engagiert dabei. Eine Baugenehmigung war bereits angefragt und ein ukrainisches Strohballenbau-Unternehmen hatte bereits signalisiert, dass sie den Bau umsetzen könnten.
Aber die konkrete Umsetzung und die Finanzierung waren noch völlig unklar. Trotzdem beschlossen wir einfach zu beginnen und zu hofften, dass wir die nötigen Gelder (von über 200.000 € ) im Laufe des Prozesses einfach bekommen würden. Ein ziemlich riskanter Beschluss, aber gleichzeitig schien es auch keine Option zu sein, einfach nichts zu tun, in Anbetracht der katastrophalen Situation.
In einer ersten Phase wurde ein Trägerverein gegründet, das Gelände gekauft und ein Bauantrag gestellt. Mit den bereits gesammelten Spendengeldern konnte ein beheizbarer Geodäthischer Dom gekauft und gebaut werden, der bereits im November 2022 als Versammlungsort und außerschulischer Lernort für die Kinder in Busha genutzt werden konnte. Doch die erhofften Großspenden ließen auf sich warten. Als wir schon fast nicht mehr daran glaubten, bekamen wir auf einmal über Milla Kontakt zu der schweizerischen Hilti Stiftung und diese sagte zu, das Projekt mit einer großen Summe zu unterstützen. Jetzt ging es schnell. Mit Hilfe vieler ukrainischer Freiwilliger, Engagement aus dem Dorf, Sachspenden und natürlich auch Geld aus dem Ausland konnte innerhalb von einem Jahr der Rohbau fertiggestellt werden und bereits im November 2023 konnten erste Veranstaltungen in dem noch unfertigen Gebäude durchgeführt werden. Jetzt, im Frühjahr 2024 ist fast alles fertig. Das Haus ist verputzt und eingerichtet. Bereits im Winter konnten erste Flüchtlingsfamilien einziehen und der Versammlungsraum wird bereits regelmäßig benutzt. In den letzten Monaten, wurde mit weiteren Privatspenden die Heizung gekauft und angeschlossen und auch die Küche ist fast fertig ausgestattet.
Wenn im Mai die offizielle Einweihung stattfindet können wir mit viel Stolz auf ein Zeichen praktischer Solidarität im GEN-Netzwerk zurückschauen. Ohne die langjährige Freundschaft und das Vertrauen, dass wir in der gemeinsamen Arbeit miteinander aufgebaut haben, wäre es zu diesem Projekt nicht gekommen. Gleichzeitig hat das Vertrauen ins Bauchgefühl und in die eigene Kraft gezeigt, was gemeinsam möglich ist. Eine Kraft die wir auch z.B. im nahen Osten oder bei Projekten für den Klimaschutz und in vielen anderen Bereichen nutzen können und müssen.
Wer weiter Informationen über das Projekt in Busha und über andere Projekte in der Ukraine bekommen möchte, kann sich u.a. in einer extra Telegram Gruppe oder auf verschiedenen Websites informieren. Spenden für gemeinschaftsgetragene Projekte in der Ukraine sind nach wie vor gefragt. Kontonummern gibt es auf den Webseiten von GEN-Europe und GEN-Ukraine.
Telegram Gruppe zu Busha Toloka: https://t.me/+BX0Bpj5tHXAyNDQ8
GEN-Ukraine: https://genukraine.com.ua
GEN-Europe: www.gen-europe.org
Zu Steffen Emrich (Gemeinschaft gASTWERKe):
Gründungsmitglied von GEN-Deutschland und Vertreter im NSC (National Steward Council) von GEN-International
Website: www.procorde.net
gASTWERKe-Akademie: https://www.gastwerke-akademie.de
gASTWERKe Gemeinschaft: https://www.gastwerke.de
Podcast zu Gemeinschaftsthemen von Steffen:
Was mit Gemeinschaft: www.procorde.net/podcast-2/