Wie eine Gemeinschaft mit einem Dorf und ein Dorf mit einer Gemeinschaft punktet
Autorin: Kathrin Schanze
Immer mal wieder stellen sich ja in Gemeinschaften forschende Menschen im Dienste der Wissenschaft ein. Lasse war kürzlich für die Lebenstraumgemeinschaft etwas Besonderes: Der Soziologie-Student aus Holland war direkt von einer Gemeinschaft in Südafrika ins sächsische Jahnishausen gekommen, um auch bei uns zu erforschen, wie Gemeinschaften in ihr unmittelbares Umfeld hineinwirken. Noch haben wir seine Ergebnisse nicht erhalten – aber deutlicher denn je wurde uns in den Interviews, die er mit uns führte, wie verwurzelt, wie weit verzweigt wir doch inzwischen in unserer Umgebung sind.
Obwohl es schon in den ersten Jahren der Lebenstraumgemeinschaft Jahnishausen ab 2001 sporadische Kontakte ins Dorf gab – so richtig Fahrt aufgenommen aber hat diese Verbindung besonders in den letzten Jahren. Gut Ding will Weile haben. Und die braucht so eine Dorfgemeinschaft tatsächlich, um zu verdauen, dass da Menschen aus dem Westen kommen und das alte Rittergut im Herzen ihres Dorfes übernehmen. Und dass sie mit größter Selbstverständlichkeit GEN-Werte umsetzten, noch bevor das Netzwerk überhaupt existierte: In ökologischer Bauweise Wohnungen ausbauten, eine Holzhackschnitzel-Heizung installierten und ihr Wasser von einer Pflanzenkläranlage säubern ließen. Vor einiger Zeit haben Gemeinschaftsmitglieder das alte Waagehäuschen am Rand des Ritterguts in ein Verschenke-Häuschen für den ganzen Ort verwandelt. Klein, aber fein, ist es ein wunderbares Beispiel für gelebte Gemeinwohlorientierung. Schön illuminiert lädt es an den Advents-Sonntagen im Dezember das ganze Dorf zum Punsch- und Glühwein-Treff ein. Eine gute Gelegenheit, Menschen aus dem näheren Umfeld an verschiedensten Erfahrungen in der Gemeinschaft teilhaben zu lassen. Und auf diese Weise ganz nebenbei dafür zu sorgen, dass das Kümmern um sozialen Zusammenhalt nicht an den Gemeinschaftsgrenzen endet! Den selbst gebauten dörflichen Adventskalender in unmittelbarer Nähe des Verschenke-Häuschens leeren Dorf- und Gemeinschaftskinder selbstverständlich zusammen.
Unser Dorf hat Zukunft
Und das ist noch längst nicht alles. Ja, es ist mittlerweile so viel miteinander in Gang gekommen, dass von den Dorfbewohnerinnen und -bewohnern die Initiative kam: Jahnishausen könnte sich doch bei dem Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ bewerben.
Gesagt, getan. Und so wurde der entsprechenden Jury dieser Tage mit großem Stolz neben dem bisher Genannten auch die 2022 eröffnete Freie Auenwaldschule vorgestellt. Die Initiative dazu kam von einem Elternpaar aus der Gemeinschaft, das ohne Rückenstärkung der Gemeinschaft sowohl sozialer als auch finanzieller Art wohl schwerlich schon so weit gekommen wäre: 19 Schülerinnen und Schüler aus der Umgebung wie auch aus der Gemeinschaft lernen mittlerweile an dieser Freien Schule und sind spielend und mit Entdecker-Augen im Ort und seinen umliegenden Auenwäldern unterwegs. Das Besondere: Das Gebäude der Schule ist tatsächlich die alte Dorfschule, die mitten in Jahnishausen lange leer stand und auf diese Weise zu neuem Leben erweckt wurde. Wenn das nicht wahrhaftig gelebte Nachhaltigkeit ist – und zwar gleich für ein ganzes Dorf!
Baum-Frucht-Gemüse
Respekt nötigte der Jury ebenso der zwei Hektar große Acker von „Baum-Frucht-Gemüse“ ab. Auch hier war es eine junge Gärtnerin aus der Gemeinschaft, der es – wiederum unterstützt von vielen Gemeinschaftsmitgliedern – gelang, innerhalb kürzester Zeit ein nachhaltig blühendes und fruchtbringendes Areal anzulegen und für den regionalen Umkreis eine Solidarische Landwirtschaft zu organisieren. 100 Bäume und 120 Obststräucher wurden auch mit Hilfe von Gemeinschaftsmitgliedern bislang gepflanzt. Auf lange Sicht die Bodenfruchtbarkeit wieder zu verbessern ist eines der wesentlichen Anliegen des ambitionierten kleinen Unternehmens. 2023 erhielt die junge Gärtnerin dafür einen sachsenweiten Gründerinnenpreis. Ein Preis, der nicht wenig dazu beiträgt, Grundanliegen von GEN im Bereich der Ökologie einer großen Öffentlichkeit zu vermitteln.
Sanfter Tourismus
Die Aufzählung lässt sich fortsetzen: Da ist das jährliche Dorffest, das in diesem Jahr erstmals nicht im Schlosspark vor den Mauern des Ritterguts gefeiert wurde, sondern mitten auf dem Gemeinschaftsgelände. Da gibt es in der Gemeinschaft einen historisch sehr bewanderten Chronisten, der dafür sorgte, dass die historische Handelsstraße Via Regia, die unmittelbar an Jahnishausen vorbeiführt, für eine Kultur des sanften Tourismus mit aufschlussreichen Beschilderungen für Wanderer und Radfahrer versehen wurde.
Anerkennung aus dem Dorf
Und dann ist da noch das Schloss auf dem Gelände der Lebenstraumgemeinschaft Jahnishausen. Mit langem Atem und in unermüdlicher Kleinarbeit sorgt der zur Gemeinschaft gehörige Verein „Accademia Dantesca“ e.V. dafür, dass aus einem beinahe schon zur Ruine verkommenen Gebäude wieder das einstige Kleinod in Jahnishausen wird. „Ohne euch hätte das nie geklappt“, würdigen das heute viele Bewohner des Dorfes. Und die Gemeinschaft bleibt sich treu: Es sind experimentelle und ganz überwiegend ökologische Sanierungsmethoden, ökologische Baustoffe und ökologische Bauweisen, die im Schloss erprobt werden. Landesweit ist das so interessant, dass das Denkmalnetz Sachsen Ende September eben nicht in Dresden, Chemnitz oder Leipzig tagt, sondern in dem Dörfchen Jahnishausen. Hier hat sogar die Vergangenheit Zukunft!