Wenn die Luft ausgeht – Aktivisti in Frust, auf der Suche nach Ruhe. Eine positive Geschichte zu Wegen der Unterstützung

Weiter machen, weiter, immer weiter, durchhalten, …

Das Wirken für eine gesellschaftliche Veränderung kann im persönlichen Alltag Züge annehmen, die es nicht weit entfernt erscheinen lassen vom üblichen Hamsterrad kapitalistischer Arbeitsverhältnisse. Ob es um das Weiterbetreiben einer Zeitung geht, den Aufbau einer Lebensgemeinschaft, wie die, in der ich lebe, oder um den Widerstand gegen den Braunkohletagebau: Solche Vorhaben belasten in einem Ausmaß und kosten Aktivisti Energie , dass es bei ihnen unter Umständen irgendwann auch nur noch ums Durchhalten geht, unter Verlust des Zugangs zur eigenen Empfindsamkeit und Lebendigkeit. Auch in Projekten für eine bessere Welt kann mensch sich verbrennen, ausbluten, verzweifeln, resignieren oder depressiv werden. So fallen auch in den Aktivisti-Kreisen dann häufig die, die es nicht mehr schaffen, nicht mehr durchhalten, nicht mehr weitermachen können, durch das Raster und aus den sozialen Bezügen. Sie verlieren Freundschaften, weil sie einfach nicht mehr präsent sind, oder auch weil sie die anderen „im Stich lassen“. Das geschieht manchmal aus Scham, oder weil die, die weiter machen, sich abgrenzen müssen, um weiter machen zu können. Es scheint häufig, dass die Aufgabe, unseren Aktivismus zu leben und wirksam zu sein, ohne uns selbst zu verschleißen, vielfach noch nicht gut gelöst ist.

Ein Baustein, um einen nachhaltigen Aktivismus zu ermöglichen, will das Projekt „Zähne putzen“ sein. Es will Aktivist*innen Räume zur Verfügung stellen, in denen sie sich zurückziehen und erholen können, in denen Reflexion und Orientierung und auch Bewältigung von Erlebtem möglich ist.

„Zähne putzen“ entstand auf dem Symposium „Rebell*innen des Friedens“ im Mai 2019 in der Gemeinschaft Sulzbrunn. Dort wurde deutlich, dass sowohl vielfältige Gruppen von Aktivist*innen, als auch die Gemeinschafts- und Kommunebewegung an einem sozial-ökologischen Wandel arbeiten: Die eine Seite versucht eher durch Aktionen Widerstand gegen die Megamaschine und ihre zerstörerische Dynamik zu leisten. Die anderen experimentieren mit Räumen, die auf einer anderen Logik beruhen, in denen der Keim einer zukunftsfähigen Gesellschaft sichtbar werden und wachsen kann. Die Idee beinhaltet, dass sich diese beiden bislang wenig verknüpften Impulse vernetzen und gegenseitig unterstützen, um gemeinsam mehr Wirkung zu entfalten. Der Bedarf ist groß. So äußerten in Sulzbrunn viele Aktivist*innen, dass es stark an Rückzugs- und Erholungsorten nach den Aktionen mangelt, die es aber braucht, um nachhaltig aktiv sein zu können. Antworten kamen von Menschen aus Gemeinschaften, dass sie solche Rückzugs- und Erholungsräume zur Verfügung stellen können.

Kurzerhand bildete sich eine Initiativgruppe, die – in über die Zeit wechselnder Besetzung – das Konzept ausformulierte. Sie nahm Kontakt einerseits zu den Gemeinschaften über ihre Netzwerke auf und hielt andererseits Kontakt zu den Aktivisti-Gruppen. Eine Website wurde erstellt (https://aktivisti-retreat.org), Flyer und Aufkleber entworfen und motivierende Artikel dazu geschrieben. Offensichtlich traf dies auch den Nerv der Zeit, ließen sich doch Kontakte und Kooperationen leicht und schnell knüpfen.

Noch in 2019 gab es viel Kommunikationsanlässe als z. B. Infostände und Workshops über „Zähne putzen“, unter anderem beim GEN Deutschland (Global Ecovillage-Network-Deutschland) Herbsttreffen, Klimacamp Rheinland, beim Move Utopia, dem Kommuja-Treffen, Klimacamp Leipziger Land, bei der HerzAuf!Stand Messe, bei Ende Gelände Bündnistreffen und über die Zeitschrift „Oya“. Kooperationen zur Unterstützung von Aktivist*innen wurden eingeleitet mit den Psychologists for Future und Out of Action.

Seit November 2019 gibt es kontinuierlich Anfragen von Aktivist*innen, die das Angebot wahrnehmen möchten, ihre Vermittlung in entsprechende Gemeinschaften gestaltet sich meistens leichtgängig. An dieser Stelle möchten wir auch unseren großen Dank an die Gemeinschaften und anderen Orte, die die Rückzugsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, ausdrücken: „Zähne putzen“ macht ja nur die Vermittlung! Den größten Teil sowohl der dinglichen wie menschlichen Ressourcen, die für diese Auszeiten nötig sind, wird von den Gemeinschaften zur Verfügung gestellt. Und das ohne viel Aufhebens, Bürokratie, etc.! Für uns ist es immer wieder wohltuend zu erleben, wie freundschaftlich und leicht hier die Kommunikation abläuft, obwohl wir die kontaktierten Menschen aus den Gemeinschaften häufig noch nie getroffen haben.

Die Corona-Krise hat unsere Arbeit natürlich auch sehr beeinträchtigt. Zu Beginn des Ausnahmezustands nahmen die meisten Gemeinschaften erstmal keine Besucher*innen mehr auf. Inzwischen hat sich die Situation jedoch wieder etwas gelöst, so dass wir seit Juni wieder Aktivist*innen in Rückzugsorte vermitteln können.

Im Juli 2020 stellten 20 Gemeinschaften aus den Netzwerken GEN-D und Kommuja (Netzwerk der politischen Kommunen) über das „Zähne putzen“-Projekt Räume zur Verfügung, außerdem sieben weitere nicht diesen Netzwerken angeschlossene Wohnprojekte und fünf Privatpersonen.

Die Umsetzung des Projekts geschieht bisher ehrenamtlich. Aktuell arbeiten wir an einem Förderantrag, der die anfallenden Kosten für Reisen, Infomaterial, etc. und eventuell in geringem Umfang auch die Arbeitszeit finanzieren soll. Organisatorisch ist die Initiative an den GEN-Deutschland e.V. angekoppelt. Dort läuft unsere Buchführung: Herzlichen Dank daher an GEN-Deutschland für die gute Kooperation!

Wer uns unterstützen möchte, kann gerne spenden (ist steuerabzugsfähig)! Bitte an:

GEN-Deutschland e. V.
IBAN: DE59 4306 0967 1166 837200,
BIC: GENODEM1GLS,
Verwendungszweck: Projekt „Zähne putzen“.

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