Autor*innen: MarieLuise Stiefel und Thomas Meier

Lasst uns Brücken bauen! – Eine Initiative des GEN Deutschland e.V. inspiriert durch die Initiative „Coronaaussöhnung“

Zwei Autor*innen – Zwei Texte

Von MarieLuise Stiefel – Schloss Tempelhof

Warum ich als überzeugte Gemeinschaftlerin das Virus in mein „WIR“ einschließe
Unfassbar, was so ein klitzekleines Virus bewirken kann: Es hat eine Spaltung quer durch die Weltgesellschaft sichtbar gemacht und in unsere Alltagswelt gebracht, die dem ganzen Schlamassel unserer heutigen Welt zugrunde liegt. Die einen denken „Mensch und Natur“, die anderen denken (und fühlen) „Mensch ist Natur“. Und oder ist – diese beide Wörtchen machen den Unterschied.
Denke ich „Ich und Natur“, die Natur also als mein Gegenüber, wird sie mir zum Objekt – das kann ich lieben, mich an ihm freuen, es kultivieren, ich kann es auch instrumentalisieren, manipulieren, fürchten, beherrschen, ausbeuten. In Verbindung mit dem durch und durch mechanistisch-technokratischen und alles der Ökonomie unterwerfenden Weltbild der westlichen Moderne hat uns dieses Denken als Menschheit heute an den Punkt auf diesem Planeten gebracht, an dem wir sind. Menschen können nach Belieben in die Natur eingreifen, selbst in ihr eigenes Genmaterial. Sie sehen sich selber als „BioComputer“, den man beliebig funktional steuern und dessen Lebensdauer man mittels Reparaturen und Ersatzteilen verlängern kann. Anhänger dieses Weltbildes haben u. a. dem Virus den Krieg erklärt, wollen es bekämpfen und ausrotten. Zero Covid ist die Devise.

Denke ich „Ich bin Natur“, dann bin ich, wie viele andere Erscheinungsformen von Natur, Teil der Natur, diese ist auch Teil von mir, sie ist meine Mitwelt. Ich denke in „mit“, in „wir“. Ich suche die Verbundenheit und bin an einem gelingenden Miteinander interessiert. Alles ist mit allem verbunden, sagen die Quantenphysiker und sagen die Mystiker. Das ist meine Welt! Viren sind Teil dieser Welt. Es geht darum, mich in dieser Welt klug einzurichten, nicht darum, das Virus ausrotten zu wollen. Was sowieso nicht funktioniert, dazu sind diese kleinen Teilchen viel zu agil und wird die eine Variante durch einen Impfstoff ausgebremst, setzen sich Mutationen durch, die der Impfstoff nicht „erwischt“. So geht das mit der Evolution. Eine never ending Story.

Was heißt für mich „klug einrichten“?
Nun, ich gehe davon aus, dass diesem hochkomplexen, dynamischen System Natur eine sich selbst organisierende Intelligenz innewohnt. So hat sich u.a. im Wechselspiel von Mensch und Viren unser Immunsystem herausgebildet und stets weiterentwickelt. Das hat keiner „gemacht“, das ist geschehen. Wenn mich nicht alles täuscht, ist u. a. diese „Ko-Produktion“ von Mensch und Viren eine Voraussetzung, dass es die Menschheit noch gibt. Ich bin für Viren der Wirt. Also sorge ich dafür, dass die Wirtin MarieLuise dem Virus allenfalls ein paar klitzekleine Andockstellen liefert und ein so robustes Immunsystem hat, dass die Weiterverbreitung der Viren in ihrem Körper schnell zum erliegen kommt. Und dabei hat mein Immunsystem etwas Neues „dazugelernt“. Super!
Hätte ich hingegen gerade eine Chemo hinter mir, was die Situation eines Bekannten ist, dann würde ich aus freien Stücken meine „analogen“ Kontakte auf ein Minimum reduzieren.

Und dann weiß ich natürlich, dass ich kein BioComputer bin, sondern ein sehr lebendiges, fühlendes Wesen, mit Bedürfnissen und mit Herz, Geist und Seele ausgestattet – oder nenn es Psyche…- egal, jedenfalls mit Wesenszügen, die einem Computer fremd sind. Es dient meiner Gesundheit und meinem Immunsystem, dass ich positive Gefühle hege, dass ich mich als wirksam erlebe und meinem Leben einen Sinn gebe, dass ich für andere da bin und sie für mich. By the way – ich frage mich, wieso hat die Evolution uns mit ca. 50 verschiedenen Gesichtsmuskeln ausgestattet, wenn nicht die wahrnehmbare Mimik für das soziale Miteinander und Überleben der Menschen bedeutsam wäre? Was wäre aus der Menschheit geworden, wenn schon früh in ihrer Geschichte eine Entwicklung mit Masken und Social Distancing eingesetzt hätte? Hätte sich dann überhaupt unsere Sprache entwickelt, würden wir zusammen singen? Hätte es einen Goethe, Heinrich Heine oder Minnelieder gegeben?

Und, ein Drittes: Ich weiß um meine Sterblichkeit und habe dazu ein unbedingtes Ja. Wie auch anders – ich halte den Kreislauf von Vergehen und Werden für naturgegeben. Nur so geht Entwicklung. Und seltsamerweise fördert diese Einsicht mein Bewusstsein für die Kostbarkeit des Lebens, für das, was wahrhaftig zählt und summa summarum meine Lebendigkeit. Ja, ich brenne für ein lebendiges Leben und bin für untotes Existieren nicht zu haben. Es ist für mich zur Zeit der allergrößte Schmerz, was im Namen des sogenannten „Bevölkerungsschutzes“ den Kindern und Jugendlichen angetan wird. Das hat es in der Menschheitsgeschichte noch nicht gegeben: Dass der nachkommenden Generation nicht nur eine unsägliche ökonomische Schuldenlast aufgebürdet wird, dass ihr für die Gesundheit der Großelterngeneration Verantwortung übertragen („Du willst doch nicht, dass wegen dir die Oma stirbt“?) und sie durch damit begründete Maßnahmen zugleich ihrer Entwicklungschancen in so einem Ausmaß beraubt wird. Psychologen sagen: Ein Jahr im Leben eines Kindes entspricht 10 Lebensjahren eines Älteren.
Gesund ist das nicht, für niemanden. Würdig ist es auch nicht, für keinen Erwachsenen, für keinen Älteren. „Meister, was ist Glück?“, wurde einmal ein Zenmeister gefragt. Die Antwort: „Glück ist, wenn die Großeltern vor den Eltern und die Eltern vor den Kindern sterben.“

Mitweltdenken – vom kleinen Wir zum großen WIR
Merkt der Fisch, der im Wasser schwimmt, dass er im Wasser schwimmt? Mir kommt es vor, als wäre evolutionär ein neuer Landgang dran. Aufgewachsen und also durch und durch kulturell geprägt von dem dualistischen Weltbild von „Mensch und Natur“ wachse ich erst ganz allmählich, mich selbst erforschend und Altes loslassend, denkend und vor allem fühlend in das Mitweltverständnis hinein. Ich habe schon früh gemerkt, dass, wenn ich einen anderen grob angehe, es mich selber schmerzt und wenn ich ihm eine Freude mache, es mich selber freut. Altruismus ist, sagt der Dalai Lama, die klügste Form von Egoismus. Von dieser Wahrnehmung bis zu einer selbstverständlichen Seinsweise in der Mitwelt ist es jedoch noch weit, weit, weit. Ich weiß nicht, ob mein nun schon 70 Jahre währendes Leben dafür reicht. Wie sagt jedoch meine lebenskluge Freundin E. ob solcher Zweifel: „Be realistic, expect a miracle“.

10 Jahre Gemeinschaftsleben haben mir in Sachen Verbundenheit schon viele Erfahrungen geschenkt. Unsere Landwirtschaft pflegt im Umgang mit unseren Böden systematisch den Mitweltgedanken. Denke ich beides, Gemeinschaftsbildung und regenerative Landwirtschaft zusammen, dann arbeiten wir an einem großen WIR, das über das kleine Wir von uns Menschen hinausgehend die nichtmenschlichen Organismen einbezieht.

Da dies so ist, habe ich zum Corona-Virus ein entspanntes Verhältnis. Es lehrt mich Vieles. Ich könnte sagen: Wir leben eine zunehmend gelingende Ko-Produktion zur Weiterentwicklung meines Bewusstseins und geistigen Immunsystems.

P.S. Für potentielle Kritiker meines Weltbildes: Als Wissenschaftlerin weiß ich, dass alle unsere Theorien Annahmen über die Welt sind, niemals die Wahrheit. Sie gelten so lange, bis ein empirischer Befund ihr Falschsein beweist.
Wenn das so ist, dann nehme ich mir die Freiheit, eine Annahme zu wählen, die lebendigkeitsförderlich ist. Das kann ich nur empfehlen. Das Leben ist dann weniger verbissen.


Von Thomas Meier – Schloss Tonndorf

Ich wünsche mir, dass sowohl unsere gewählten Politiker*innen als auch die öffentlichen Medien bald zu einem Punkt zurückfinden, an dem sie wieder einen fairen Diskurs in Wissenschaft, Politik, Medien und in der Öffentlichkeit ermöglichen. Dieser sollte das ganze Spektrum an Einschätzungen zur aktuellen Lage hörbar machen und einbeziehen. Die zahlreichen offenen Aufrufe, welche gerade besorgte Ärzt*innen und Journalist*innen in den letzten Monaten an die Öffentlichkeit gerichtet haben, zeigen mir, dass es hier nicht nur eine wissenschaftliche bzw. journalistische Meinung gibt, sondern sehr verschiedene Schlüsse gezogen werden.

Ich bin besorgt um die Kollateralschäden der Maßnahmen und wünsche mir, dass die COVID-Situation in ein reales Verhältnis sowohl zu anderen Erkrankungen als auch zu den seit Jahrzehnten bestehenden Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen gesetzt wird. Dass mein 14-jähriger Sohn seit fast zwei Jahren acht Stunden täglich mit einer Maske in der Schule sitzt und meine älteren Kinder ihr Studium mehrheitlich am Computerbildschirm erleben, finde ich untragbar und nicht gerechtfertigt.

Die enge Verflechtung von kommerziellen Interessen und Lobbyismus mit der Gesundheitspolitik und medizinischen Forschung in unserem Land (und anderswo) ist aus meiner Sicht hauptverantwortlich für die aktuelle Lage, braucht einen baldigen Stopp und sollte durch ein gemeinwohlorientiertes, profitbefreites und wieder nach menschlichen Maßstäben ausgerichtetes Gesundheits- und Pflegewesen ersetzt werden, in welchem allen Beteiligten würdevoll und wertschätzend miteinander umgehen können. Hierfür suche ich aktuell mit Menschen aus unserem Umfeld nach geeigneten Wegen für unser Lebensumfeld.

Thomas Meier
Architekt, Berater für Gemeinschaften und für eine zukunftsfähige Dorf- und Regionalentwicklung
Mitglied des Vorstands und Lenkungskreises des GEN Deutschland e. V.
Lebensgemeinschaft auf Schloss Tonndorf eG, Thüringen


GEN lädt ein:

Vorgespräch:
Kollektives Trauma & Demokratie

Kostenlose Auftaktveranstaltung zu dem Workshop im April.

Ein Gespräch zwischen Claudine Nierth & Thomas Hübl
11. April 2022 von 20:00 Uhr bis 21:30 Uhr CET

– DAS GESPRÄCH FINDET ONLINE AUF DEUTSCH MIT ÜBERSETZUNG INS ENGLISCHE STATT –

Hier geht es zur Anmeldung zum Vorgespräch

Workshop:
Polarisierung in Krisen überwinden

Online Workshop mit Thomas Hübl – Eine Kooperation von Mehr Demokratie & Pocket Project

Donnerstag, 28. April – 19.30 Uhr bis Sonntag, 1. Mai – 13.00 Uhr

Wir erleben in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung von miteinander verbundenen Krisen. In dieser Situation ist es wichtig, auch die verborgenen Kräfte in unserer gesellschaftlichen Struktur zu erkennen: die individuellen, generationsübergreifenden und kollektiven Traumata. In Krisen werden unsichtbare Wunden der Vergangenheit aktiviert und führen zu gesellschaftlicher Fragmentierung und Polarisierung. Die Corona-Krise, gepaart mit der Klimakrise, die nun durch den Krieg in der Ukraine noch verschärft wird, stellt uns vor die Herausforderung, Polarisierung zu überwinden, Orientierung zu finden und gemeinsam angemessene Maßnahmen zu ergreifen.

In einer Zusammenarbeit des Pocket Project mit der deutschen Nichtregierungsorganisation Mehr Demokratie bieten wir einen Online-Workshop unter der Leitung von Thomas Hübl an, um die gegenseitige Wahrnehmung und die Verständigung über gesellschaftliche Gräben hinweg wiederherzustellen und zu vertiefen.

Wir werden anhand der aktuellen Krisen und der gesellschaftlichen Polarisierung individuelle, generationenübergreifende und kollektive Traumata erforschen und einen kollektiven Trauma-Integrationsprozess praktizieren.

Hier geht es zur Anmeldung

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